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Ortsbeirat Darsberg                                          Evangelische Kirchengemeinde Darsberg 

 

Historischer Erzählnachmittag in Darsberg Zeitzeugen berichten über ihre Erlebnisse im Krieg

 

In der ehemaligen Darsberger Schule trafen sich zwei Generationen zum historischen Erfahrungsaustausch bei Kaffee und Kuchen. Pfarrerin Marion Rink, ihre Konfirmandinnen und Konfirmanden und der Ortsbeirat Darsberg hatten zu einem historischen Erzählnachmittag geladen. Bereits am Volkstrauertag hatte man mit dem Dialog begonnen, als die Konfirmandinnen und Konfirmanden einen Fragenkatalog zusammengestellt hatten, der sich mit dieser Zeit befasste. Und was lag näher, als Zeitzeugen einzuladen, die in dieser Epoche sehr vieles selbst erlebt hatten und darüber zu berichten wussten? Die Zeit wurde aus verschiedenen Sichtweisen betrachtet. Einheimische Darsberger kamen dabei genauso zu Wort wie Bewohner der großen Städte, die den Bombenterror überlebt hatten oder die auf der Flucht ums nackte Überleben kämpften. Ortsvorsteher Ralf Edelmann begrüßte die anwesenden Zeitzeugen, die Konfirmandinnen und Konfirmanden sowie Bürgermeister Eberhard Petri. Er freute sich über das große Interesse auf beiden Seiten. „Sich der Vergangenheit erinnern, heißt die Zukunft gewinnen. Nur wer das durch menschliches Handeln bezogen auf den Einzelfall verursachte Leid kennt und nachempfinden kann, nur der ist letztlich willens und in der Lage, seine ganz persönlichen Lehren und Erkenntnisse zu ziehen.“ Mit diesem Leitmotto forderte er die beiden Generationen zu einem Meinungsaustausch auf. 

 

Bevor Alt und Jung die Köpfe zusammensteckten, brachte der Brief eines 1944 im Krieg vermissten Darsbergers einen kleinen Eindruck über das unendlich schwere Leben eines Frontsoldaten in Polen. Die tägliche Angst um das Überleben und die Freude über ein gesandtes Lebensmittelpaket kamen darin genauso zum Ausdruck wie die Sorgen und die Ungewissheit der Soldaten um die Familien zu Hause. Bereits 1944 war diesen Soldaten klar gewesen, dass der Krieg aussichtslos verloren war und man sich nichts sehnlicher wünschte, als nach Hause zu können. Als Fazit zog die Zeitzeugin den Schluss, dass man den Kampf um eine humanere Welt nie aufgeben dürfe.

Aber auch das Leben zu Hause war kein Zuckerschlecken. Bereits vor dem Krieg mussten alle Mädchen und Jungen zum „Bund deutscher Mädchen“ oder zur „Hitlerjugend“. Es wurde viel gesungen und gebastelt. Aber man achtete auch streng darauf, die Jugend für die Kriegspläne zu rüsten und dass alle immer einheitliche Uniformen trugen. Konnte man zu den Gruppenstunden nicht kommen, musste man sich entschuldigen. Diese Ablenkungen waren aber auch die einzigsten Freuden der Jugend in jener Zeit. Für die damaligen Konfirmanden war es doppelt schwer zum Konfirmandenunterricht zu gehen, denn Heimabende der Partei wurden bewusst zur selben Zeit abgehalten. Der soziale Druck war sehr groß, nicht zur Konfirmation, sondern zur Jugendweihe ins Rathaus zu gehen. 

In Darsberg gab es im Krieg keine Männer im wehrfähigen Alter mehr. In der letzten Zeit wurden sogar Vierzehn- oder Fünfzehnjährige und die alten Männer in den Krieg eingezogen oder zum Volkssturm in den Kriegsdienst eingeteilt. Es gab keine Möglichkeit, dieser Verpflichtung zu entgehen. Da Darsberg weitgehend landwirtschaftlich geprägt war, fehlten die Männer an allen Ecken und Enden. Deshalb kamen auch einige Zwangsarbeiter aus Polen, Russland und Frankreich nach Darsberg und Neckarsteinach. Aber im Gegensatz zu anderen Schicksalen wurden sie hier menschlich behandelt. Trotz der härtesten Lebensbedingungen steckte man ihnen immer mal wieder Lebensmittel zu und half so mit, dass sie überleben konnten. Einige kamen sogar nach dem Krieg zurück, um sich zu bedanken. 

Aber Darsberg blieb auch nicht vom Granatenhagel verschont, neben einzelnen innerdörflichen Einschlägen wurde ausgerechnet der Friedhof getroffen. Auch die Judenverfolgung ging an Neckarsteinach nicht spurlos vorüber. Die Kultgegenstände aus der Synagoge in der Hirschgasse wurden im Neckar versenkt. Man war aber klug genug in der Reichspogromnacht im November 1938, als so viele andere Synagogen brannten, das in Neckarsteinach nicht zu tun. Denn dann hätte man riskiert, große Teile der Altstadt abzubrennen. Genauso war der Pfarrer in jener Zeit halbjüdisch. Er wurde gewarnt, dass er im Neckar hätte ertränkt werden sollen und konnte so fliehen. Es wurde nie bekannt wer sein Retter war. 

Ergänzt wurden diese Lebenserfahrungen der Bürger aus Darsberg und Neckarsteinach von Erzählungen über die Bombennächte in den Großstädten und die Erfahrungen von Flucht und Vertreibung. Die Erlebnisse der deutschen Bevölkerung in Ostpreußen war vor allem durch die Angst vor den Russen geprägt. Man hatte alles verloren, kein Dach mehr über dem Kopf und musste zusehen, dass man nicht wie so unzählig viele andere nach Russland oder Sibirien verschleppt wurde. Es gab nur ein Ziel, die Flucht in den rettenden Westen. Zu essen gab es so gut wie nichts, manchmal rettete der Diebstahl von ein paar Kartoffeln oder Rüben das nackte Überleben. Als man dann endlich eine Reiseerlaubnis bekam, entschied oft das Glück, ob man irgendwo neu anfangen konnte oder doch noch sein Leben verlor. 

Nicht viel einfacher war das Leben in den Großstädten, die vom Bombenterror in Schutt und Asche gelegt wurden. Aber auch hier funktionierte der soziale Druck der NS-geprägten Gesellschaft bis in die Umgebung und Nachbarschaft des Einzelnen. Es wurde für die Front gesammelt und andere Pflichtdienste erfüllt, damit die Gedanken an die Gefahren nicht mehr allgegenwärtig waren. Und doch verstanden die Jugendlichen erst sehr viel später, in welcher Zeit sie wirklich gelebt hatten und welchen Gefahren diese Pressionen von allen Seiten auch im sozialen Bereich in Wirklichkeit bargen. Denn die Gemeinsamkeit hatte auch für sie etwas Faszinierendes, die Hintergründe der Vorgehensweise und des strategischen Verhaltens der Obrigkeit verstand man nicht wirklich oder erst sehr viel später. 

Nach Kriegsende wurde das große Bangen fast unerträglich, wer von den Soldaten diese Hölle überlebt hatte. Insgesamt kehrten neunzehn Männer nicht mehr nach Darsberg zurück.

Für die Konfirmandinnen und Konfirmanden unserer Tage lieferten diese Eindrücke aus einer harten Zeit sehr interessante Informationen und stellten ein Anfang dar, sich mit der Geschichte des Dritten Reichen und ihren Hintergründen in Neckarsteinach näher zu befassen. 

Bürgermeister Eberhard Petri, der den Erzählungen mit großem Interesse gelauscht hatte, begrüßte ausdrücklich die Initiative des Ortsbeirates und der Evangelischen Kirchengemeinde Darsberg und bedankte sich bei den Initiatoren. „Dieser Nachmittag hat in vieler Hinsicht die verschiedenen Aspekte und Schrecken des Krieges und der Zeit davor beleuchtet. Es ist besonders wichtig, dass wir mit den Älteren und unserem Nachwuchs im Gespräch bleiben und uns mit dieser gelebten Geschichte auch weiter befassen.“ Er rief dazu auf, noch vorhandene Zeitdokumente und andere Erinnerungsstücke zu behalten oder sie in Eberbach dem Stadtarchiv und Dr. Lenz zur Verfügung zu stellen. An die junge Generation richtete er den Appell, den Verstand einzuschalten und nicht unbedingt alles „cool“ zu finden, nur weil es viele andere begeistert. „Ihr solltet lieber dreimal nachdenken und kritisch hinterfragen, um was es geht, bevor so etwas noch einmal passiert. Kritische Menschen sind nicht so leicht beeinflussbar wie Mitläufer. Deshalb ist die Information von unseren Zeitzeugen so wichtig.“ Bürgermeister Petri rief dazu auf, den Dialog fortzusetzen und auch in Neckarsteinach ein ähnliches Treffen zu initiieren.

Zum Abschluss des sehr interessanten Nachmittags bedankte sich Ortsvorsteher Ralf Edelmann mit einem Blumenstrauß bei Pfarrerin Marion Rink, die als „Seele des Projekts“ sehr viel Vorarbeit geleistet hatte. Sein Dank galt aber auch den Zeitzeugen und den Konfirmandinnen und Konfirmanden, die mit ihrem großen Interesse zum Erfolg des historischen Erzählnachmittags beigetragen hatten. 

 

Heiderose Teynor