Ansprache des Ortsvorstehers Ralf Edelmann zum Volkstrauertag 2010

Ortsbeirat Darsberg

Ansprache des Ortsvorstehers Ralf Edelmann im Rahmen der zentralen Gedenkfeier anlässlich des Volkstrauertages 2010

Sehr geehrte Gäste,
verehrte Teilnehmer der heutigen Gedenkfeier,

Wir sind heute auf dem Friedhof in Darsberg zusammen gekommen, um der Gefallenen und Vermissten der beiden Weltkriege zu gedenken. Zugleich gilt unsere Trauer aber auch all jenen, die Terror, Rassenideologie, Vertreibung und Gewaltherrschaft jener Tage zum Opfer gefallen sind.

Neckarsteinach wie auch die Stadtteile Darsberg, Grein und Neckarhausen sind von den Schrecken und Wirrungen dieser Zeit nicht verschont geblieben. Mit Blick auf Darsberg wurde dies auf eindrückliche Weise deutlich, als vor drei Jahren im Rahmen eines Erzählnachmittages Zeitzeugen von Ihren persönlichen Erfahrungen aus dieser Schreckenszeit berichteten (Historischer Erzählnachmittag in Darsberg – Zeitzeugen berichten über ihre Erlebnisse im Krieg). Anlass für diesen Erzählnachmittag bildeten die anlässlich des Volkstrauertages 2006 seitens der Konfirmanden aufgeworfenen Fragen, die in ihrer Komplexität sowie emotionalen Vielschichtigkeit direkt nicht beantwortet werden konnten, die es aber Wert waren, beantwortet zu werden (Geistlicher Impuls – Pfarrerin Marion Rink / Konfirmanden).

Ob es sich bei den persönlichen Erlebnissen um den Verlust eines oder mehrerer Angehöriger, um leidvolle Erfahrungen der Vertreibung oder um sonstige Exzesse der damaligen Schreckensherrschaft handelte. Jedes einzelne der im Rahmen des Erzählnachmittages geschilderten Schicksale war und ist Ausdruck unermesslichen Leides und der Trauer. Daher Trauer um der Trauer willen, als ehrendes Gedenken menschlicher Schreckensherrschaft. Zugleich aber auch Trauer als Mahnung, wozu der Mensch, in welcher Verblendung auch immer, in der Lage ist, an seinen Mitmenschen schreckliches zu verantworten.

Nur wenn es uns vor Ort wie überall in der Welt gelingt, aufbauend auf den Erfahrungen der Vergangenheit und des konkreten Leides des Einzelfalles, Vergleichbares für alle Zukunft auszuschließen, nur dann waren das Leid und die Opfer der Vergangenheit auch in Neckarsteinach als auch der Stadtteile nicht vergebens. In letzter Konsequenz muss jedoch als Ergebnis der schrecklichen Erfahrungen der Vergangenheit die Erkenntnis stehen, dass ein friedliches Miteinander aller Menschen, Rassen, Religionen und Nationen in unser aller Denken und Handeln begründet liegt. Jeder einzelne von uns ist gefordert, für eine bessere, friedlichere und in jeglicher Hinsicht humanere Welt einzutreten, und sei es nur im täglichen Miteinander einer vergleichsweise kleinen Gemeinde wie Neckarsteinach aber auch im Stadtgebiet insgesamt.

Erinnern wir uns der Vergangenheit, damit auch wir mit Tatkraft und Zuversicht die Zukunft für uns selbst als auch für kommende Generationen gewinnen können. Der Generationen übergreifende Dialog im Rahmen des Darsberger Erzählnachmittages im Jahre 2007 war ein erster Schritt. Weitere müssen folgen. Das Gebot der historischen Nachhaltigkeit als auch die Vergänglichkeit des Erfahrungsschatzes verpflichtet uns dazu.

Um das Leid und den Schrecken, die der 2. Weltkrieg auch nach Darsberg gebracht hat, in seiner ganz intimen Eindrücklichkeit für uns alle erlebbar und nachempfindbar zu machen, wird uns nun Torben Krieger auszugsweise aus dem letzten Brief eines im Jahre 1944 vermissten Darsbergers an seine Angehörigen zitieren. Verinnerlichen wir hierbei sowohl das Leid und die Trauer der Daheimgebliebenen, aber auch die allgegenwärtige Angst um das eigene Leben sowie die körperliche Unversehrtheit des Soldaten. Verinnerlichen wir zugleich aber auch den Tatbestand, dass der Verfasser des Briefes kaum älter war, als Torben heute.

Möge der Friede der letzten 65 Jahre uns Allen auch in Zukunft erhalten bleiben!

 

Historisches Briefdokument

Lukowa, den 25.1.1943

Liebe Mutter, Großmutter und Geschwister!

Seit langer Zeit mal wieder ein paar Zeilen aus Polen. Vor allem Anderen möchte ich mich für die Päckchen und Pakete, sowie für den Brief und die Arbeit, die Ihr für mich getan habt, auf’s herzlichste bedanken. … Meine Lieben, das Schreiben von meiner Firma, das Ihr mir beigelegt habt, habe ich erhalten. Ich will der Firma gleich schreiben, dass sie das Geld an Euch schicken sollen. … Sollte es der Fall sein, dass mir irgendetwas passieren sollte, fällt das ganze Geld Euch allen zu. Sollten wir uns nach dem Kriege gesund wieder sehen, werden wir uns schon einigen. Wir hoffen halt auf das Beste.

Liebe Eltern was sagt Ihr eigentlich zur Kriegslage? Es sieht brennzlich aus. Ihr schreibt vom Urlaub, da ist nicht dran zu denken. Vielleicht könnte es doch bis Ostern möglich sein, bis jetzt ist er gesperrt. … Wir wollen auf das Beste und ein baldiges Wiedersehen hoffen. Wie ergeht es Euch? Wie ist eigentlich die Stimmung bei Euch in der Heimat? Bei uns hat jeder die Schnauze voll. Ausgang gibt es bei uns nur wenig. Würde gerne mal ein Glas Bier trinken. Wenn wir Ausgang haben geht es nur geschlossen. Und natürlich mit Gewehr. Wir haben schon öfters Überfälle gehabt. … Ich bin so froh, wenn ich wieder aus Polen verschwinden kann.

Meine Lieben, ich will zum Schluss kommen. Macht Euch nicht soviel Sorgen, wenn es lange dauert, bis Ihr mal wieder Post von mir bekommt. Meine Zeit, die ich habe, ist so kostbar. Seid nun recht herzlich gegrüßt. Viele Grüße an alle anderen.
Auf Wiedersehen.