50 Jahre Eingemeindung - Darsberg - Rhein-Neckar-Zeitung

Vom bischöflichen Lehen zum „liebenswerten Dorf“ – RNZ-Serie stellt anlässlich des 50. Jubiläums der Neckarsteinacher Eingemeindungen die Ortsteile vor – Darsberg blickt auf fast 700-jährige Geschichte zurück

Neckarsteinach-Darsberg. (iz) Vor 50 Jahren führte die große Gebietsreform in Hessen dazu, dass die bisher selbständigen Gemeinden Darsberg, Grein und Neckarhausen nach Neckarsteinach eingemeindet wurden. Ihnen widmet sich die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) mit ihrer Serie „50 Jahre Eingemeindung“. Sie blickt in die Geschichte zurück und hat auch ein Auge darauf, wie sich diese kleinen Orte seit 1971 entwickelt haben. Den Auftakt macht Darsberg.

50 Jahre Eingemeindung

Darsberg liegt zwei Kilometer oberhalb von Neckarsteinach auf 350 Meter Höhe im südlichen Odenwald. Es wurde im Jahre 1329 als „dorff zum darsperg“ zum ersten Mal erwähnt, als der Lehnsherr, der Bischof von Worms, den Ort dem Ritter Hans von Hirschhorn als Lehen übertrug. Hoheitsrechte hatten aber auch die Landschaden von Steinach. Die damals circa 100 Einwohner lebten fast ausschließlich von der Landwirtschaft und Viehzucht.

In der zweiten Hälfte des 15. Jahrhunderts entstand die kleine Sebastianskapelle, deren kostbarer Bilderschrein bis heute den Altarraum schmückt und dessen Künstler und Herkunft unbekannt sind. Bis heute zählt dieser Altar zu den größten Kunstschätzen der Region. Es kann davon ausgegangen werden, dass der damalige Ortsherr Bligger XIV, einer der wichtigsten Vertreter des Neckarsteinacher Rittergeschlechts, der Bauherr war; er ließ von 1481 bis 1483 auch die spätgotische Kirche in Neckarsteinach bauen. Als dessen Sohn Hans III. 1524 dort die Reformation einführte, folgte auch Darsberg dieser neuen Glaubenslehre. Zu den weiteren Zeugen der Vergangenheit gehört ein massives Steinkreuz, das heute in eine Wand am Dorfplatz eingemauert ist.

Nach dem Aussterben des Hirschhorner Rittergeschlechts im Jahre 1632 sowie der Neckarsteinacher Landschaden 1653 wechselte Darsberg mehrfach den Besitzer und hatte im Dreißigjährigen Krieg, dem Pfälzischen Erbfolgekrieg und weiteren Koalitionskriegen schlimmes Leid zu ertragen. Auch die Pest 1633 und 1635 forderte viele Opfer unter den Darsbergern.

Erst 1803 kehrte Ruhe ein, Darsberg wurde ebenso wie Neckarsteinach hessisch und eine selbständige Gemeinde mit einem eigenen Bürgermeister. Die Bevölkerung stieg bis 1900 auf circa 260 Personen. 1887 konnte in einem zentral liegenden Sandsteinbau eine eigene Schule für die Darsberger Kinder eingerichtet werden. Zwischen 1945 und 1950 stieg die Einwohnerzahl noch einmal um circa 100 an. Denn in Darsberg – genau wie in Neckasteinach – ließen sich viele Kriegsflüchtlinge aus dem Osten nieder.

In den 1950er Jahren wurde ein Dorfgemeinschaftshaus gebaut, in dem sich alle wichtigen Einrichtungen für ein funktionierendes Dorfleben vereinigten. Neben einem großen Saal war dort auch die Feuerwehr und der Kindergarten untergebracht, außerdem eine Wäscherei samt Mangel, eine Kelter mit Obstpresse, ein Tiefkühlraum mit Gefrierfächern und ein öffentliches Bad sowie Räume für die Gemeindeverwaltung und eine Hausmeisterwohnung.

Die hessische Gebietsreform beendete 1971 schließlich die Selbständigkeit des Ortes; der letzte eigene Bürgermeister hieß Richard Heckmann. Die Eingemeindung sollte zwar „freiwillig“ erfolgen, aber ältere Bürger wissen, dass es durchaus auch Widerspruch dagegen gab. Bürgermeister Heckmann und der Gemeindevorstand versuchten damals deshalb, im sogenannten „Grenzänderungsvertrag“ möglichst viele Zugeständnisse der Kernstadt Neckarsteinach an Darsberg „herauszuschlagen“.

So heißt es zum Beispiel in Paragraf 10: „Die Stadt Neckarsteinach ist verpflichtet, den der bisherigen Gemeinde Darsberg entsprechenden Ortsteil so zu fördern, dass dieses Gebiet in seiner Weiterentwicklung (...) nicht beeinträchtigt wird. Sie unterstützt insbesondere auch die Eigenständigkeit der örtlichen, wirtschaftlichen, kulturellen und sportlichen Belange.“ Im Einzelnen wird aufgeführt, dass die Stadt sich verpflichtet, „folgende Investitionen vorzunehmen: Neubau einer Friedhofshalle, Neubau eines Feuerwehrgerätehauses, Wiedereröffnung des Kindergartens, Erweiterung der Wasserversorgungsanlage, weiterer Ausbau der Ortsstraßen, insbesondere Anbringung von Bürgersteigen“.

Nach einer kurzen Übergangszeit bis zur Kommunalwahl 1972 brachte die Eingemeindung dann aber tiefgreifende Veränderungen: Aus dem bisherigen, von politischen Fraktionen besetzten Gemeinderat sollte eigentlich sofort ein siebenköpfiger neutraler Ortsbeirat mit einem Ortsvorsteher – der erste hieß Rudolf Engel – an der Spitze werden. Weil sich aber die Parteien in Darsberg nicht auf eine neutrale Liste einigen konnten, setzte sich der Ortsbeirat bis 1997 doch noch aus politischen Fraktionen zusammen. Erst seitdem gibt es die neutrale Darsberger Bürgerliste. Der Ortsbeirat konnte und kann bis heute zwar Wünsche äußern, das letzte Wort aber hat die Stadtverordnetenversammlung; denn bezahlen musste natürlich die Stadt.

Dass diese Meinungen nicht immer übereinstimmten, zeigte sich beim alten Dorfgemeinschaftshaus: 1991 wurde festgestellt, dass es wegen des schwammigen Untergrunds und wegen mangelnder Grundmauern einsturzgefährdet war. Es musste umgehend geschlossen werden. Jahrelang zogen sich die Streitigkeiten um Sanierung oder Neubau zwischen dem Ortsbeirat und der Stadtverordnetenversammlung hin – bis schließlich 1998 der „Schandfleck“ abgerissen wurde.

Inzwischen hatte sich unter der Leitung des neuen engagierten Ortsvorstehers Hans-Peter Krieger und weiteren Darsberger Bürgern der „Arbeitskreis Darsberg“ (AKD) gebildet, der ein Konzept für wichtige neue Projekte im Ort erarbeitete. Die Freude war groß, als 1999 Darsberg mit diesem Konzept in das Dorferneuerungsprogramm des Landes Hessen aufgenommen wurde. Das bedeutete, dass 55 Prozent der Kosten für neue Projekte vom Land getragen werden. Zu den wichtigsten Plänen gehörten damals ein neues Dorfgemeinschafshaus, die Neugestaltung des Dorfplatzes, ein neuer Spielplatz und auch die Sanierung zahlreicher Privathäuser.

Inzwischen sind alle diese Wünsche wahr geworden. Unter großem Einsatz der Darsberger Feuerwehr wurde ein neues Feuerwehrgerätehaus gebaut und der vorher als Parkplatz genutzte Dorfplatz ist heute hochgeschätzter Treffpunkt der Dorfgemeinschaft. Als letzte Maßnahme der Dorferneuerung konnte 2008 das neue Dorfgemeinschaftshaus eingeweiht werden. Dank des vehementen Einsatzes von Ortsvorsteher Ralf Edelmann wurde die alte Schule dafür von Grund auf saniert und erweitert und mit einem Glasanbau als Foyer ausgestattet – ein Ort, an dem sich Feiergäste, Ortsbeirat oder die ortsansässigen Vereine und Kirchen wohlfühlen. Auch der städtische Kindergarten fand seinen Platz in Darsberg.

Es gab aber auch negative Entwicklungen in Bezug auf die Infrastruktur: Das bürgerlich traditionelle Gasthaus „Deutscher Kaiser“ wurde verkauft und in ein zweifelhaftes Etablissement mit kriminellem Hintergrund umgewandelt. Heute steht es ebenso leer wie das ehemalige Gasthaus „Waldhorn“. Es gibt keine Einkaufsmöglichkeiten mehr im Ort, die Zweigstellen der Post und der Bankfilialen wurden geschlossen. Die Darsberger Kinder werden zur Schule nach Neckarsteinach heruntergebracht.

Aber die positiven Aspekte überwiegen: Es gibt zahlreiche Neubauten und die Einwohnerzahl stieg auf über 500 Personen. Der jährliche Brauch des Feuerrads zur Fastnacht wird noch immer von den Darsbergern gepflegt und zieht jedes Jahr viele Besucher an. Der aktuelle Ortsvorsteher Holger Ludwig ist zufrieden und zieht ein positives Fazit: „Darsberg ist ein liebenswertes Dorf, in dem man gut leben kann.“

Elisabeth Hinz

(Veröffentlicht in der Rhein-Neckar-Zeitung, Jahrgang 77, Ausgabe 24 vom 30./31. Januar 2021)