50 Jahre Eingemeindung - Grein - Rhein-Neckar-Zeitung

Windräder, Bobbycar-Rennen und viel Natur – Für all das ist der Neckarsteinacher Stadtteil Grein bekannt – 130 Einwohner lieben die Idylle des tief im Odenwald gelegenen Ortes

Neckarsteinach-Grein. (iz) Vor 50 Jahren führte die große Gebietsreform in Hessen dazu, dass die bisher selbstständigen Gemeinden Darsberg, Grein und Neckarhausen nach Neckarsteinach eingemeindet wurden. Ihnen widmet sich die Rhein-Neckar-Zeitung (RNZ) mit ihrer Serie „50 Jahre Eingemeindung“. Sie blickt in die Geschichte zurück und hat auch ein Auge darauf, wie sich diese kleinen Orte seit 1971 entwickelt haben. Heute im Mittelpunkt: Grein.

50 Jahre Eingemeindung

Fünf Kilometer nördlich von Neckarsteinach befindet sich Grein, der kleinste Ortsteil der Vierburgenstadt, auf fast 400 Meter Höhe tief im Odenwald idyllisch gelegen. Seine Ersterwähnung findet man in einer Urkunde von 1326, als Konrad von Harfenberg, ein Nachkomme der Steinacher Ritter, alle seine Rechte an „Grine“ an seinen Vetter Konrad von Hirschhorn verkaufte. Wahrscheinlich wurde die kleine Rodungssiedlung schon im 12. Jahrhundert von den Edelfreien von Steinach angelegt. Die wenigen Bewohner waren überwiegend Leibeigene und sehr arm. Sie hatten Frondienste zu leisten und den sogenannten „Zehnten“ abzuliefern, der in Form von Getreide, Obst oder auch Vieh bestehen konnte.

Im 16. Jahrhundert werden die Neckarsteinacher Landschaden als „Obrigkeit“ angegeben. Und als diese um 1524 die Reformation einführen, wird auch Grein lutherisch. Aus dieser Zeit ist auch eine Angabe über Geldbußen bei Streitereien erhalten geblieben. Darin ist vermerkt, was bei welchem Vergehen zu zahlen ist: bei Schlägerei (ohne Blut) sechs Schilling Heller, bei Schlägerei (mit Blut) zehn Pfund Heller; wer Säue in die Greiner Äcker laufen lässt und sie außerhalb verkauft – zehn Pfund Heller.

Von 1588 stammt das große Sandsteinkreuz auf dem Friedhof oberhalb von Grein. Die Herkunft ist nicht bekannt.

Die abgelegene Lage von Grein abseits aller großen Straßen bewahrte den kleinen Ort aber nicht vor schlimmen Zeiten. Im 30-jährigen Krieg von 1618 bis 1648 gab es immer wieder Plünderungen und im Pestjahr 1635 viele Tote.

Um die Mitte des 17. Jahrhunderts flüchtete aus dem weit entfernten österreichischen Waldviertel bei Wien die wegen ihres lutherischen Glaubens verfolgte Familie Rehberger nach Deutschland. Sie kam nach mühseliger Wanderung in den Odenwald nach Grein, wo sie sich niederließ und in die einheimische Bevölkerung einheiratete. Der erste 1653 in Grein geborene Sohn dieser Familie hieß Hanß Rehberger. Sein Sohn Hanß Nikolaus erhielt 1740 die Bürgerrechte und erbaute 1757 die bis heute erhaltene Kapelle am Friedhofseingang. Seine Initialen HR sind mit der Jahreszahl 1757 und dem Zusatz B für Bürger in die Wand eingraviert. Noch heute gibt es etliche Rehberger in Grein und Darsberg.

Eine Katastrophe ereignete sich am Sonntag Laetare im Jahre 1779: während alle Männer beim Gerichtstag in Neckarsteinach erscheinen mussten, brannte die Hälfte der Greiner Häuser ab. 1803 wurde auch Grein hessisch und ab 1900 sogar eine selbstständige Gemeinde mit einem eigenen Bürgermeister.

Der Zweite Weltkrieg brachte auch dem kleinen Dorf viel Leid. Viele Männer kamen aus dem Krieg nicht mehr nach Hause, und auf dem Feld arbeitende Frauen wurden oft von Flugzeugen aus beschossen. Nach dem Krieg veränderte der Zuzug zahlreicher Vertriebener aus dem Osten die alte Bevölkerungsstruktur. Die Einwohnerzahl sprang von etwa 100 auf fast 160 Personen. 1960 konnte Grein noch aus eigener Kraft das Dorfgemeinschaftshaus bauen, das bis heute – natürlich mehrfach saniert und umgebaut – der Mittelpunkt des gesellschaftlichen Lebens der Greiner Bevölkerung ist. Der letzte Bürgermeister der selbstständigen Gemeinde Grein vor der Eingemeindung 1971 nach Neckarsteinach hieß Willibald Schöps, der sich aber auch danach sehr stark ehrenamtlich für den neuen Stadtteil engagierte.

Zu den wichtigen Veränderungen nach dem sogenannten „Grenzänderungsvertrag“ gehörte die Umwandlung des bisherigen politischen Gemeinderats in einen neutralen fünfköpfigen Ortsbeirat mit einem Ortsvorsteher. Der erste hieß Adam Sauer, der 1976 auch die 650-Jahr-Feier in Grein organisierte. Von den im Vertrag aufgezählten Wünschen, zu deren Erfüllung sich Neckarsteinach verpflichtete – wie Friedhofshalle, Bau eines Hochbehälters, Erweiterung des Wasserleitungsnetzes und die Anlegung von Bürgersteigen – sind zwei verwirklicht: 1976 wurde der Hochbehälter Heuwegskopf gebaut, der heute Grein und Darsberg mit Trinkwasser versorgt, und auch die Wasserleitungen wurden verbessert. Bürgersteige findet man aber auch heute nur ganz wenige.

Die schon 1908 gegründete Greiner Freiwillige Feuerwehr wurde in die Neckarsteinacher Feuerwehr eingegliedert. Unter ihrem regen Vorsitzenden Rudolf Schmitt gewann die Greiner Wehr aber immer mehr Einfluss auf das Dorfgeschehen und sie organisiert heute fast alle Feste und Veranstaltungen des Ortsteils – besonders die Greiner Kerwe mit ihrem lustigen Bobbycar-Rennen auch für Erwachsene und einem fantastischen Feuerwerk zieht immer viele Besucher an.

2015 wurde der kleine Ort aber weit über seine Grenzen hinaus bekannt, denn hier sollte der erste Windpark der Umgebung entstehen. Obwohl sich eine Bürgerinitiative dagegen bildete, stimmte der Ortsbeirat unter ihrem langjährigen Ortsvorsteher Matthias Borst dem Vorhaben zu. Heute drehen sich sechs riesige Windräder am Greiner Eck.

Ebenfalls überregionale Aufmerksamkeit fanden die Greiner dann im Jahr 2020, als sich zwei Drittel der Bevölkerung bei einer geheimen Bürgerabstimmung gegen den Bau eines von der Telekom angebotenen Funkturms aussprachen. Er sollte den digitalen Empfang im Dorf verbessern. Hier ist aber – zumindest laut Bürgermeister Herold Pfeifer – das letzte Wort wohl noch nicht gesprochen.

Grein ist und bleibt ein eigener Stadtteil mit circa 130 Einwohnern. Er findet – auch wegen seiner Nachbarschaft zum bewaldeten, gemeindefreien Gebiet Michelbuch – immer mehr Bedeutung als Wander- und Ausflugsziel.

Elisabeth Hinz

(Veröffentlicht in der Rhein-Neckar-Zeitung, Jahrgang 77, Ausgabe 36 vom 13./14. Februar 2021)